Aufräumen und Loslassen – Gedanken zum Herbst

Liebe Besucherinnen und Besucher der Paulaner-Homepage!

Vielleicht geht es Ihnen wie mir – ich mag den Herbst mit seinen bunten, frischen Farben, wenn morgens der Tau auf den Wiesen liegt, wenn es kühler wird, wenn man es sich abends zuhause bei einer Tasse Tee und im Kerzenschein gemütlich macht. Die letzten Früchte werden geerntet. Und es scheint es so, als würde die Natur noch einmal durchatmen, bevor sie sich zur Ruhe begibt. Es riecht und schmeckt nach Herbst. Eine schöne, besondere Zeit des Jahres.

Alle paar Tage heißt es nun, die Straße vom Laub befreien, ich schnappe mir den Besen und fege das Laub zusammen, wohl wissend, dass noch eine Menge Laub an den Bäumen hängt. Und wie jedes Jahr ergreife ich die Gelegenheit auch in meiner Wohnung das Alte zusammen zu suchen, auf einen Haufen zu sammeln und mich davon zu trennen. Und irgendwie ist kommt mir so ein Herbstputz ganz gelegen. Warum auch nicht? Der Frühjahrsputz macht alles neu und frisch und der Herbstputz nimmt sich das Alte vor, das Verbrauchte, das längst Vergessene. Am Anfang – das sage ich aus eigener Erfahrung – fällt es ganz schön schwer, sich von den Dingen zu trennen. Denn Vieles ist mir lieb geworden: mein allererster Computer, die Comics, die ich einmal geschenkt bekommen habe, ein goldenes Feuerzeug, das schon lange nicht mehr funktioniert. Und dann sind da noch die alten Schrauben, Muttern und Dübel, die ich aufgehoben habe, weil ich sie vielleicht noch einmal brauchen könnte, die alte Bettwäsche von Oma, die gar nicht auf mein Bett passt, die zahllosen Bücher, die ich irgendwann gelesen habe, die ich irgendwann einmal lesen wollte, aber die mich nicht mehr interessieren. – Alles Dinge, von denen ich mich am Ende verabschiede, wie von altem Laub, das auf die Straße gefallen ist, das ich zusammenkehre und in den Laubsack stopfe.

Was am Anfang schwer fällt, wird mit der Zeit aber immer einfach, ja sogar vergnüglich. Ja, mit der Zeit macht es Spaß zu entscheiden, was bleiben darf und gehen muss. Und am Ende muss vieles gehen. Aber – und das ist das Wunderbare an dem Aufräumen und Zusammenkehren – mit jedem Ding, von dem man sich trennt fühlt man sich freier. Die Wohnung wird lichter, die Schubladen und Regale sehen plötzlich aufgeräumter aus. Die wirklich schönen und wichtigen Dinge bleiben, weil man sich ganz bewusst dafür entschieden hat.

Ich möchte Ihnen Mut machen, das auszuprobieren. Es ist wirklich ein befreiendes Erlebnis. Und bisher habe ich noch keinem Ding hinterher getrauert, oder betreut, dass ich verschenkt oder fortgeworfen habe. Es hatte alles seinen Platz, seinen Ort und – seine Zeit.

Aufräumtipps – in einer Andacht? Ist das nicht seltsam? – Nein, denn Aufräumen, Abschiednehmen von alten Dingen und Gewohnheiten – das ist gerade in dieser Zeit am Ende des Kirchenjahres von großer Bedeutung; aber natürlich nicht nur in dieser Zeit, sondern im Grunde jeden Tag. Unser Leben ist Veränderung und ein stetes Abschiednehmen. Wir sind auf der Wanderschaft, unser Leben lang. Am Ende des Kirchenjahres sind wir gehalten, über unser Leben und auch über unseren Tod nachzudenken. Wir sollen uns wieder auf das Wesentliche konzentrieren, auf das, was wirklich wichtig ist im Kleinen wie im Großen. So ein Zusammenkehren und Wegwerfen ist vielleicht nur ein kleiner, erster Schritt. Aber dieser kleine Schritt macht auch spürbar, dass es gar nicht die vielen Dinge sind, die unser Leben wertvoll machen. Unsere Erlebnisse und Erinnerungen sind es, die uns reich machen. Und die wertvollsten Erinnerungen sind nicht die, wo wir etwas gekauft haben, wo wir endlich etwas in den Händen gehalten haben. Unsere wertvollsten Erinnerungen haben etwas mit dem Erleben, mit Bildern, mit Eindrücken, mit Düften, Geschmack, mit Berührung und Gefühl zu tun. Die Erinnerungen, die uns bleiben, hängen nicht an Dingen. –  Es sind die Menschen, es ist die Gemeinschaft, es ist die Liebe die unser größtes und wertvollstes Gut ist. Und diese Liebe lässt sich nicht an Besitz binden. Das, was wir bewahren sollen, liegt in unserem Herzen. Und dieses unser Herz liegt in Gottes Hand. Am Ende werden wir nichts, aber auch gar nichts mitnehmen können, sondern nur das, was wir selbst sind und die Liebe, die uns – durch Christus – mit allen verbindet.

Amen.

Gott befohlen!

Ihr

Pfarrer Matthias Weigart