Gottesfurcht – reformatorische Mahnung vor Selbstgerechtigkeit
Für den zentralen Reformationstags-Gottesdienst der evang. Gemeinden Ambergs (Auferstehung, Erlöser, Paulaner) und Riedens und Hirschaus konnten wir in diesem Jahr den Beauftragten für interreligiösen Dialog und Islamfragen der bayerischen Landeskirche, Dr. Rainer Oechslen, als Prediger gewinnen. Die Mahnung des Apostel Paulus „schaffet, dass ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern“ (Phil 2,12) aufgreifend, beschrieb Dr. Oechslen eindringlich, wie Frömmigkeit ohne Gottesfurcht zu selbstgerechtem Fanatismus führt, nicht selten mörderischem – und in allen Religionen.
Dabei reiche es nicht, sich entsetzt von Gräueltaten wie denen des IS abzuwenden, die genau darin wurzeln: der gotteslästerlichen Annahme nämlich, auf der Seite Gottes zu stehen), sondern ähnliche Züge selbstkritisch bei sich selbst zu suchen. Als Beispiele nannte er Debatten um Krieg und Frieden in der jüngeren und jüngsten Geschichte Deutschlands, sowie ethische Debatten wie die um die Sterbehilfe, wo unterschiedliche Meinungen nicht dazu führen dürften, sich gegenseitig die Gottesfurcht abzusprechen. Denn wir alle könnten sehr unrecht haben, wie eine in islamischen Gelehrtenkreisen übliche Schlussformulierung von wissenschaftlichen Abhandlungen es ausdrücke: „Gott weiß es besser“. Die Anerkennung von Gottesfurcht im Anderen, im einer anderen Religion Zugehörigen, sei eine Grundeinsicht des Alten Testaments, die viel zu oft vernachlässigt und vergessen würde. Und so erinnerte Dr. Oechslen an den Erzvater Abraham, der beschämt dem heidnischen König Abimelech von Gerar (nicht: Gera!) Gottesfurcht attestieren musste, als er sich nicht halb so barbarisch benahm, wie Abraham es feige und arrogant vorausgesetzt hatte, als er seine Frau Sara als seine Schwester ausgab, um selbst mit heiler Haut davonzukommen (vgl. Gen 20). Gottesfurcht, so schloss Dr. Oechslen, sei eine echte Befreiung und das Verdienst der Reformation sei es, dies wieder in den Vordergrund gerückt zu haben.
Im Anschluss an den Gottesdienst, der musikalisch vom Posaunenchor unter Leitung von Rudolf Bär und Dekanatskantorin Kerstin Schatz an der Orgel gestaltet wurde, fand im Gemeindehaus das traditionelle Weinfest statt. Die stellvertretende Vertrauensfrau des Kirchenvorstandes und unermüdliche Organisatorin von Großereignissen der Gemeinde, Helga Günther, hatte mit vielen tatkräftigen Unterstützern für herrlichen Zwiebelkuchen, köstliche Schmalz- und Obatzter (falls man das so schreibt…)- Brote gesorgt. So klang der Abend, der mit der geistlichen Erinnerung an die befreiende Kraft der Gottesfurcht begonnen hatte, mit gelöst in fröhlicher Gemeinschaft aus.
Eine Bitte: falls jemand, der dies liest, Bilder beim Weinfest gemacht hat, wäre es sehr schön, wenn wir diese Bilder noch dieser Meldung hinzufügen könnten. Wer also welche hat, ist gebeten, sie an joachim.vonkoelichen@elkb.de zu senden. Herzlichen Dank!